1942

Korrespondenz bis zum 15. April 1942 – Verzeichnis
Robert Musil an Klaus Pinkus, 10. Januar 1942
Briefkonzepte III/67
Briefkonzepte III/68

Lieber Herr Pinkus!
Mögen Sie diesen verspäteten Brief nachsichtig aufnehmen, sogar die verspäteten Neujahrswünsche; es gibt aus diesen Wochen noch soviel anderes, was ich schreiben habe wollen und nicht geschrieben habe! Mit dieser sich von der Arbeit her ausbreitenden Schreiblähmung habe ich dann aber jeden Tag meine gerechte Strafe für die privaten Sünden gleich auch vorweg! Übrigens sind diese Zustände, wo man sich selbst im Weg liegt, eigentlich nichts Unnatürliches, wenn sie auch sehr lästig sind; und ich habe sie im Lauf der Jahre, seit Sie mich kennen, schon so überoft erwähnt, daß ich mich schäme, heute am Ende wieder meinen Optimismus zu betonen, wenngleich er auch bei der Berührung des Kummers sofort wieder aufersteht.
Bei einer solchen Erprobung der Ausdauer kommt es natürlich auch auf das Physische und als seine Stütze, aufs Materielle an. Fertig werde ich schließlich mit der Aufgabe werden, wenn ich auch noch so oft niedergeschlagen bin; gesetzt, daß meine Gesundheit nicht stärker nachläßt, als sie es schon getan hat. Aber mit dem Geld hat es all die Zeit, seit ich in der Schweiz bin, wirklich jämmerlich ausgesehen. Das Land ist von Ungläubigen bewohnt, und ich bin nie ein Apostel meiner selbst gewesen; Verlag, Zeitung oder Zeitschrift, die für mich werben, sind aber keine da. Wenn ich Ihren Vorschlag mit Oprecht abgelehnt habe, ist es also gewiß nicht aus Übermut geschehn; und meine Kühle gegen die Erwähnung Ihres alten Freundes in Genf hat auf allgemeinen Erfahrungen beruht, die nicht zu wiederholen ich mir schon lange zum Prinzip gemacht habe. Was soll ich noch sagen? Vorsichtshalber vielleicht auch, daß meine Beziehung zu Schwerin und seiner von Ihnen nicht geschätzten, mir mit Ausnahme seiner Großmutter nur vom Hörensagen bekannten Familie nie etwas mit Fragen dieser Art zu tun gehabt hat. Vielleicht auch aus Mißtrauen.
Von Fürsts und Pächt weiß ich nichts Bestimmtes; der Krieg hat ihren Gewissen die Kraft des Vergessens gegeben. Fürst’s sollen zuletzt in Schottland gewesen sein, Pächt in England geheiratet haben, und ich glaube, daß es beiden ganz gut geht.
Dafür eine Gegenfrage. Sie schrieben, daß Kurt Wolff gar nicht mehr Verleger wäre. Was macht er eigentlich? Ich interessiere mich für ihn gerade als Verleger. Denn ich suche wirklich einen. Wenn ich auch mit dem „Mann ohne Eigenschaften“ noch lange nicht fertig bin, möchte ich doch vorher etwas anderes schreiben, das schneller geht und mir wichtig ist.
Ich habe meiner Frau Ihre Grüße bestellt, die sie freundlichst erwidert, und bitte Sie, Gräfin Colloredo meine ergebensten Empfehlungen auszurichten.
Aufrichtig und herzlich ergeben Ihr
Robert Musil.