Studium in Berlin
Zu Beginn des Wintersemesters 1903/04 belegt Musil als Student mit der Matrikel-Nummer 2577 an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin die Hauptfächer Philosophie und Psychologie sowie die Nebenfächer Mathematik und Physik. Seine Professoren sind Carl Stumpf, Alois Riehl und Heinrich Rubens. Um die Bedingungen für das Philosophiestudium zu erfüllen, hat er sich zugleich am Brünner Deutschen Gymnasium zur Externisten-Matura aus Latein und Griechisch angemeldet. Susanne von Hornbostel erinnert sich an Musils Stegreif-Verse aus der Studentenzeit, der Gestaltpsychologe Kurt Koffka an ein Gespräch.
Dokumente


Susanne v. Hornbostel
gegenüber K. Corino
15.1. 1985:
„Während seiner Berliner Studienzeit verkehrte Musil im Hause seines Psychologen-Kollegen Erich Moritz von Hornbostel. Dort gab es ein Gesellschaftsspiel, aus dem Stegreif Knittelverse in Form von Grabsprüchen zu verfassen. Anspielend auf die Entlarvung des „klugen Hans“, eines angeblich rechnenden und lesenden Wunderpferds, durch Oskar Pfungst dichtete Musil:
‚Hier liegt Oskar Pfungst,
gestorben an einem Hungst,
der aus Rache mit dem Bein
stieß ihn in das Grab hinein.‘
Ein anderer Vierzeiler, der auf den an Waschzwang grenzenden Sauberkeitsfanatismus Susanne von Hornbostels Bezug nahm, lautete:
‚Hier ruht Hornbostel Susanne,
gestorben in der Badewanne,
aus der sie nie hervorgekrochen,
seit sie an einem Hund gerochen.’“

Kurt Koffka: Principles of Gestalt Psychologie. London 1935, S. 53:
„Ich erinnere mich an eine Episode aus meinen Studententagen. Einer meiner Kollegen, mit dem ich nach Hause ging, fragte mich: ‚Haben Sie eine Ahnung, wohin die Psychologie, die wir studieren, uns führen wird?‘ Ich hatte keine Antwort auf diese Frage, und mein Kollege gab diese Psychologie nach seinem Doktor-Examen auf und ist heute ein bekannter Schriftsteller.“

„Mediziner und Psychologe, ‚wohlhabend, übertrieben genau, komisch, rechthaberisch, unerträglich, studierte ewig, promovierte nie‘, zählte zum Kreis um E.M. von Hornbostel, der mit Musils Berliner Lehrer Carl Stumpf die ‚Sammelbände für vergleichende Musikwissenschaft‘ publizierte, schrieb ein Buch über den ‚klugen Hans‘, ein seinerzeit berühmtes ‚rechnendes Pferd‘; nach 1918 machte die Universität Berlin ihn zum Ehrendoktor, erteilte ihm sogar die venia legendi, bald darauf, Anfang der zwanziger Jahre, Selbstmord.“
Quellen und Literatur
- Corino 1992, 103-110
- Corino 2003, 219-239
- Corino 2010, 49, 58
- Frisé 1976/2, 53
- Mulot 1977